Wolfgang Bosbach
Kennen Sie Vanessa Weber?
Klimaproteste sind „natürlich gewaltfrei“. Tatsächlich?
Sie kennen Vanessa Weber nicht? Eigentlich schade, aber auch kein Wunder, denn über sie wird allenfalls in der Lokalzeitung berichtet – wenn überhaupt. Vanessa Weber, eine junge Unternehmerin aus Aschaffenburg, ist eine Klima-Aktivistin im besten Sinne des Wortes!
Sie hat schon in jungen Jahren eine Stiftung gegründet, die sich schwerpunktmäßig den Themen Bildung und Nachhaltigkeit widmet. Allerdings: Sie blockiert keine Straßen- oder Schienenwege, bewirft nicht weltberühmte Kunstwerke mit irgendwelchen Suppen und kettet sich auch nirgendwo an. Sie will nur die Bildungschancen von jungen, benachteiligten Menschen fördern und kümmert sich rührend – und erfolgreich – um die Neuanpflanzung von Bäumen. Aber da sie keinen Ärger macht und die Allgemeinheit nicht mit irgendwelchen Aktionen malträtiert, ist sie journalistisch betrachtet offensichtlich irrelevant. Leider!
Ganz anders die sog. Klimaaktivisten, die Berlin, München und andere Orte seit geraumer Zeit mit Verkehrsblockaden, Angriffen auf Kunstwerke wie Bilder und Statuen und anderen Veranstaltungen in Atem halten. Natürlich immer im Dienst einer guten Sache („Klimaschutz“) und selbstverständlich 100% „gewaltfrei“, wie unablässig betont wird. Aber: Stimmt das wirklich?
Heiligt der Zweck die Mittel?
An dieser Stelle kann dahinstehen, ob diese Aktivisten dadurch, dass sie sich mittels hochwirksamer Klebstoffe an Fahrbahnen festkleben (auch andere) Straftaten wie z.B. „Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr”, § 315 b StGB, oder „Behinderung von hilfeleistenden Personen”, § 323 c StGB, begehen. Konzentrieren wir uns einmal auf den § 240 StGB: die „Nötigung“. Schutzgut der Vorschrift ist die „Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung“ von natürlichen Personen. § 240 I StGB spricht bei den möglichen Tathandlungen a) von der „Drohung mit einem empfindlichen Übel“ und b) schlicht von der Anwendung von „Gewalt“.
Zweifelsfrei dürfte sein, dass durch eine mutwillig, d.h. vorsätzlich herbeigeführte Verkehrsblockade, die Verkehrsteilnehmer gegen ihren Willen zum Anhalten gezwungen werden – aber geschieht das durch „Gewalt“?
Gewalt contra Nachhaltigkeit
Wer das verneint vertritt möglicherweise die Ansicht, dass „Gewalt“ die Anwendung von Kraftentfaltung, d.h. von körperlichen Anstrengungen voraussetzt und dass die Aktivisten sich doch bloß hinsetzen und festkleben würden. Das allerdings sieht der weit überwiegende Teil der Rechtsprechung und die hM in der jur. Literatur ganz anders. Bei Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, zu § 240 Rdnr. 9 heißt es dazu kurz und bündig: „ Zu den Wirkungsformen der Gewalt gehören nicht nur die beeinflussende, willensbeugende Gewalt (vis compulsiva) , die den Willen des Genötigten in eine bestimmte Wirkung treibt (hier: Sofort anhalten!), sondern auch die überwältigende Gewalt (vis absoluta), die den Willen des Tatopfers völlig ausschaltet, dem Opfer also die Möglichkeit, sich aus eigenem Willen entsprechend zu verhalten, gänzlich nimmt.“
Im Straßenverkehr soll eine „Einwirkung von gewißer Dauer“ erforderlich sein, von der eine „körperliche Zwangswirkung“ ausgeht. Die Behinderung müsste nicht nur eine „bloße Folge“ rücksichtslosen Verhaltens, sondern dessen Zweck sein“ – so der BGH. Gerade bei mutwillig herbeigeführten Straßenblockaden dürften nicht die Verkehrsteilnehmer zu „Objekten der Selbstdarstellung der Täter“ gemacht werden.
Alles (Rechts-) Ausführungen, die im Falle von Vanessa Webers Aktivitäten irrelevant sind, sie hilft ganz unspektakulär lernschwachen Schülerinnen und Schülern und pflanzt fleißig Bäume. Und dieser Aktivismus hilft der Natur tatsächlich. Und nachhaltig.