Wolfgang Bosbach

"Ich muss immer aktuell informiert sein"

CDU-Politiker Wolfgang Bosbach spricht am Mittwoch, 16. November, bei einer Veranstaltung der Isu in Heiligenrode. Vorab sprach er im Interview mit dem WESER-KURIER unter anderem über seine politische Laufbahn.
Von Eike Wienbarg - Weser-Kurier vom 10.11.2022​

Herr Bosbach, seit 2017 sind Sie nicht mehr im Deutschen Bundestag. Wie sehr vermissen Sie das politische Geschäft?
Wolfgang Bosbach: Zwar habe ich kein Mandat mehr inne und strebe auch kein neues mehr an, aber die politische Leidenschaft ist geblieben. Ab und zu würde ich ja gerne nochmal an das Rednerpult des Bundestages treten, aber weitere vier volle Jahre traue ich mir nicht mehr zu. Wie stark verfolgen Sie noch das Geschehen dort? Leicht übertrieben aber nicht ganz falsch: von morgens bis abends. Ich absolviere im Jahr weit über 200 kleinere und größere Veranstaltungen und schon deshalb muss ich ja immer aktuell informiert sein.

Mit welchem Kollegen haben Sie sich während Ihrer Zeit im Bundestag am meisten gestritten und warum?
O je, da habe ich nicht mitgezählt. Daher: Wirklich keine Ahnung! Es ging ja auch nie um des Streites willen, sondern immer um die Sache.

Welchen Politiker außerhalb der Union haben Sie im Bundestag am meisten bewundert und warum?
Da gab es nicht Wenige. Am meisten wohl den Liberalen Otto Graf Lambsdorff, eine in mehrfacher Hinsicht beeindruckende Persönlichkeit.

Welche Weisheit haben Sie im Bundestag gelernt, die sich auch auf das alltägliche Leben anwenden lässt?
Es war eher umgekehrt. Ich habe durch Erziehung und Beruf viel für die Politik gelernt: Aufrichtig, ehrlich und fair sein, keine halben Sachen machen – und: Bürgeranliegen machen keine Arbeit, sie sind unsere Arbeit.

Die aktuellen Debatten sind von zahlreichen Krisen, wie dem Ukraine-Krieg, der Energiekrise und dem Klimawandel, geprägt. Wie schwer ist es, in solchen Situationen Entscheidungen zu treffen?
Gute Frage! Gerade in solchen Krisen gibt es keine Entscheidungen ohne Zweifel, ohne Risiken und Nebenwirkungen. Umso wichtiger ist Abwägung aller relevanten Argumente. Alternativlos ist nichts, außer der Wahrheit.

Wie bewerten Sie das Vorgehen der Bundesregierung in Bezug auf den Ukraine-Krieg?
Überwiegend zustimmend, allerdings versteckt sie sich bei Entscheidungen oft hinter den Bündnispartnern. „Wir entscheiden und hoffen, dass unsere Partner das auch tun“ ist eine andere Haltung als „Wenn unsere Partner entschieden haben, handeln auch wir.“

Das 1,5-Grad-Ziel in Bezug auf den Klimawandel rückt immer weiter in die Ferne. Hat Deutschland wichtige Vorhaben gegen den Klimawandel verschlafen?
Es gibt kein einziges Politikfeld, wo man nicht fragen könnte: „Hätte der Staat da nicht noch mehr tun können, noch schneller handeln?“ Aber wenn wir Deutschland mit anderen großen Industrienationen vergleichen, dann müssen wir uns auch beim Thema Energie- und Klimapolitik weder verstecken noch schämen, ganz im Gegenteil. In den letzten 30 Jahren ist das BIP um gut 100 Prozent gestiegen, parallel geht der CO2- Ausstoß um über 36 Prozent zurück.

In Ihrer aktiven Zeit haben Sie auch immer wieder Ihre eigene Partei kritisiert. Wie sehen Sie den aktuellen Kurs der Union?
Ich erkenne das redliche und in der Sache richtige Bemühen zwischen Unterstützung der Regierung, wenn sie vernünftige Entscheidungen trifft, und konstruktiver Opposition, wenn sie das Gegenteil tut.

Eine Ihrer Töchter hat auch den Weg in die Politik gewagt.Wie finden Sie das?
Natürlich ist Papa stolz, wenn eine der Töchter das Interesse für die Politik geerbt hat und als Bundesvorsitzende des jungen Wirtschaftsrates sehr engagiert arbeitet – aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass diese Arbeit auch mit Entbehrungen und Enttäuschungen einhergeht. Leider!

Wie geht es Ihnen derzeit gesundheitlich?
So lala. Wenn es noch einige Jahre so bleibt und nicht schlechter wird, ist alles okay. Hauptsache ich kann das tun, was ich gerne tun möchte. Beruflich und privat.

Welche Botschaft wollen Sie Ihren Zuhörern bei Ihrem Vortrag in Stuhr vermitteln?
Bei allen Sorgen und Problemen – wir haben es immer wieder geschafft, auch schwere Krisen zu überstehen. Es geht immer weiter. Und: Besser meckern kann man auch Deutschland nicht. Nur noch besser machen.

Das Interview führte Eike Wienbarg.